Ein Lächeln schwappt durch die Stadt!

 

Wasserstandsmeldungen aus einer nie untergehenden Stadt

Es tut mir leid. Jetzt ist es raus: Der Kopf, der hinter diesem Blog steckt, trägt keine verrutschte Basecap, schmückt sich nicht mit Fusselbart und Ohr Tunnel und trägt keine Badelatschen. Es ist kein cooler junger Hipster (New Generation). Die OSTSEE-ZEITUNG hat es aufgedeckt. Aus dem Artikel-Foto grinst  ungeniert und unrasiert ein alter Mann mit Hornbrille und Anglerweste. Ich bin’s...

  

 

So entstehen diese Texte nicht etwa im berauschten Nebel, sondern in einer Art Ringkampf mit sich selbst.  Es ist eine Häutung, eine Geburt unter grandiosen Schmerzen. Schweißgebadet wache ich nachts auf und schwer nach Atem ringend stapfe ich wie ein mondsüchtiger Elefant durch die Wohnung. Es hämmert in meinem Kopf: WAS SCHREIBE ICH NUR? Dann die Erlösung: Heureka ich habe’s!

  

 

Angesichts des Blogs über das Stadtfest lasse ich Sie , liebe Leser, mir bei der Entstehung dieses Textes über die Schulter schauen. Es ist, sozusagen, „Tag der offenen Schulter“:

 

  

Variante 1 (nachts um 1.24 Uhr):

  

 

„Irgendwo in Europa, in Dunkeldeutschland, dort, wo ewiger Nebel und der Geruch von Kartoffeln alle Farben und alles Lachen ausgelöscht hat, liegt am Rande, also kurz vor dem Abgrund, ein Ort, indem sich 8815 Barther gegen das Aussterben der Fröhlichkeit wehren. Sie stehen auf gegen die neue Bäderregelung. Sie veranstalten ein Stadtfest ...“

  

 

Oh, nein, das geht nicht. Auf keinen Fall. Zu dramatisch, zu überzogen. Erschöpft lasse ich mich ins Bett fallen.

  

 

Variante 2 (7.04 Uhr, unter der Dusche):  

  

 

„Aus dem hohlen, finstern Damm-Tor dringt ein buntes Gewimmel hervor. Jeder sonnt sich heute so gern. Sie feiern das Barther Stadtfest, ...  sie sind schon ganz früh aufgestanden. Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern, aus Handwerks- und Gewerbebanden, aus dem Druck von Giebeln und Dächern, aus der Straßen quetschender Enge, aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht sind sie alle ans Licht gebracht.

 

 

Ach nee, doch nicht. Kriegt ja jeder mit, dass ich das abgeschrieben habe. Außerdem ist nicht Ostern.

 

Deprimiert setze ich mich an den Computer.

  

 

 

Variante 3 (9.03 Uhr):

 

 

 

Am gestrigen Sonntag feiert die Stadt Barth ihr Stadtfest. Die Sonne schien und die Stadt war voller Menschen. Nicht nur Barther, sondern auch Gäste aus dem In- und Ausland waren gekommen. Barbara Nischwitz aus Markranstädt: „Es ist wirklich schön hier. Da haben sich die Barther etwas einfallen lassen.“ Holger Bern aus Burg: „Man kann einfach schön bummeln gehen.“  Alle waren froh!

 

 

 

Plötzlich eine Stimme ganz dicht und ganz laut an meinem Ohr: Es soll kein Bericht werden! STORY TELLING! STORY TELLING!

 

 

 

Wenn der Bildschirm ein Blatt Papier wäre, dann hätte ich es zerknüllt und in den Papierkorb daneben geschmissen.

 

 

 

Emotion! Also Emotion! Kreativität! Vinetastadt Barth! Ostsee! Fischland-Darß-Zingst!

 

Ohgottohgottohgott!

 

 

 

Variante 4 (10.44 Uhr / nach dem Genuss einer Dose Guarana):

 

 

 

„Als die Glocken der Barther St.Marien-Kirche an diesem Sonntag läuteten, schien es den wenigen Barthern, die am frühen Morgen durch die noch leeren Gassen der Innenstadt liefen, als ob der fröhliche Klang die Sonne begrüßen wollte, die mild lächelnd ihre warmen Strahlen über die Dächer legte. Vineta ist wieder auferstanden aus den Fluten der Ostsee und die Händler bauten ihre Stände auf, in der Hoffnung auf den einen oder anderen Vineta-Groschen, der zur Befreiung des ewigen Fluches reichen würde. Alle waren gut gelaunt und ein Lächeln schwappte von Frau zu Mann, von Mann zu Kind, von Kind zur Oma und auch die Schwiegermutter musste lächeln. Barth schickte eine frohe Botschaft hinaus in die Welt und auf die Halbinsel Fischland-Darß-Zingst: Ätsch, wir sind ein Erholungsort! Wir feiern fröhlich unser Stadtfest! Dafür scheint heute für uns und für Euch  die Sonne.“

 

 

 

 Das ist doch schon viel besser! Anders ausgedrückt (12 Uhr. Es hat „Gong“ gemacht)::

 

 

 

ES WAR SOOOOOO SCHÖN!

 

 

 

Irgendwas müssen die Barther richtig gemacht haben. Nach langer Pause trauten sie sich mal wieder, ein Stadtfest zu feiern und alles schien am seidenen Wetterfaden zu hängen.

 

Es wird den ganzen Tag regnen! (Kurt Dreßler übte schon den Hauff & Henkler-Klassiker „Regen, Regen stört uns nicht“ ein.) Es wird bewölkt und regnet vielleicht nicht! Und dann klärte Klärchen alle Sorgenfalten – ganz ohne Hyaluron. Die Blaskapelle Hochgräber pustete ein paar freche Wolken in den Westen zurück, der Bürgermeister hielt seine obligatorische Eröffnungsrede, alle Händlerzelte waren aufgebaut und los ging die Barther Entspannungstherapie! Der Markplatz war voller enthusiastischer Menschen, durch die Lange Straße flanierten neugierige, lustige, lachende und viele andere tolle Menschen. Barther eben! Ein Groschen und ein Groschen und noch ein Groschen wechselten an den Ständen auf der Langen Straße die Besitzer. Wider des ewigen Fluches! Sogar junge Leute zwischen 20 und 40 Jahren zeigten sich – mit coolen Klamotten, modern gestylt und mit kleinen Kindern! Wow! Auf der Bühne lebte „Unsere Heimat“ wieder auf und Nina Hagen sang im ACDC-Shirt „Du hast den Farbfilm vergessen“. Unsere junge Zukunft sang, tanzte und präsentierte sich, dass es Fresh war! Frank Nehls moderierte sich die Seele aus der Kehle. Haben Sie die jungen Damen bei der Taschen-Modenschau gesehen? Das waren Amateure!!!! Hätten Sie nicht gedacht! Barth man tau ...

 

 

 

Oh, Moment, da kommen gerade Zwitscher-Meldungen rein:

 

 

 

„Der Barther Spielmannszug wird im kommenden Jahr mehrmals die Lange Straße hoch und runter marschieren und fetzige Lieder interpretieren.“

 

 

 

„Wir vom BCC werden auch eine Show vorbereiten. Auch wenn keine Faschingszeit ist. Die Funkengarde ist schon ganz hippelig. Dieser Tag hat Appetit gemacht.“

 

 

 

Auch wenn jetzt viele Schlager- und Rockstars in Barth nach Engagements fragen werden: Die Band BluesRausch leistete Pionierarbeit und ihr gebührte die Ehre der letzten Töne auf dem Markplatz und sie brachte die Köpfe der Zuhörer zum Nicken und die Füße zum Wippen und ich kenne jetzt 546 Flachwitze mehr. Darauf ein Cocktail vom Jambolaya, eine Wurst von der Freiwilligen Feuerwehr oder eine Pilzpfanne vom Eshramo. 

 

Wer sich umschaute, sah nur entspannte und fröhliche Gesichter. Das führte dazu, dass ich sogar von einer mir wildfremden Frau einen Kuss auf die Wange bekam. Doll wa?

 

 

 

Wann ist wieder Stadtfest?

 

 

 

DAS WAR SOOOOOO SCHÖN! 

 

 

 

PS: Einen Tag später.  Ein Lied zieht durch die Stadt: „Regen, Regen stört uns nicht ...“ Und alle grinsen.

 

 

 

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