Corona-Zeit in Barth – Haben wir das gemeistert?

Wasserstandsmeldungen aus einer niemals untergehenden Stadt

 

Vor gut einem Jahr habe ich mich auf den Weg gemacht und vier Barther gefragt, wie denn ihre Erfahrungen mit der gerade beginnenden Corona-Pandemie sind. Jetzt war Zeit, um mal wieder nachzufragen. Es ist ja viel passiert. Stefan Scharp und Tim Winkler erklärten sich erneut bereit. Vielen Dank an Petra Reiz, die sich erstmals zur Verfügung stellte. 

Stefan Scharp, Notfallsanitäter

 

Stefan Scharp muss lachen. Vor einem Jahr sagte er noch, dass sich niemand erschrecken soll, wenn er und eine Kollegen mit einer Maske vor der Tür stehen. „Jetzt tragen alle Maske und man wird schief angesehen, wenn man keine trägt.“

Ja, es gab im vergangenen Jahr auch Ausbrüche Corona-Ausbrüche in Barth, aber der Rettungssanitäter meint, dass habe man im Großen und Ganzen gut hingekriegt.  Die meisten Menschen seien verantwortungsbewusst, auch wenn einige der Maßnahmen nicht ganz zu verstehen waren. Er findet es gut, wenn jetzt die Gastronomie wieder aufmacht und wir zu einem normalen Alltag zurückkehren können. Auch die Feuerwehr kann wieder Ausbildungen durchführen. „Die Kleinsten müssen wieder ihre Freiheiten bekommen, damit sie zu den Sportvereinen oder zur Feuerwehr gehen können“, meint Stefan Scharp. Was ist aber mit den Gesunden? Wenn es über die Rückgabe der Grundrechte geht, tauchen die Gesunden nirgends auf.

Stefan Scharp ist der Meinung, dass Corona die Menschen verändert habe. Dann erzählt er eine kleine Begebenheit aus seinem Rettungsdienstalltag: „Wir mussten zu einer älteren Frau. Als sie die Tür öffnete und uns sah, fiel ihr auf, dass sie keine Maske tragen würde. Sie entschuldigte sich mehrfach dafür. Sie fühlte sich schuldbewusst und war übervorsichtig.“ 

Tim Winkler, Leiter Ordnungsamt Barth (ehemals)

 

Nein, es gab bei Freunden, Bekannten und in der Familie keinen Corona-Fall.  Die Arbeit ist für Tim Winkler allerdings „schnelllebiger“ geworden. Ständig kamen neue Verordnungen: Erst alles zu! Dann alles auf! Das war schon spannend. Weniger spannend waren die unzähligen Wiederholungen auf die gleichen Fragen. „ Wir sind aber trotzdem freundlich geblieben. Auch wenn es anstrengend war.“, sag der 34-Jährige. Aus seiner Sicht haben die Barther das Corona-Jahr sehr gut bewältigt. Von Seiten des Ordnungsamtes sei wenig zu bemängeln gewesen. „Großes Lob an alle, die sich an die Verordnungen gehalten haben“, so Tim Winkler, der natürlich auch weiß, dass es schwarze Schafe überall gibt. Aber er hatte mehr Verstöße erwartet.

Tim Winkler fühlt sehr mit den Gastronomen und hofft, dass es jetzt mit den Öffnungen weiter geht.

„Ich bin Realist: Wir müssen wohl weiter mit dem Corona-Virus leben. Vielleicht wird es ja auch zu einer normalen Krankheit. Dann hätten wir unser früheres Leben größtenteils wieder“, schließt er. Tim Winkler hat eine neue Aufgabe in der Nähe seines Wohnortes Stralsund angenommen.   

 

 

Das Curanum Barth hat mich schon mehrfach freundlich empfangen, wenn es um meine journalistische Arbeit geht. Auch dieses Mal. Danke dafür. Der Weg zu meinem Termin war allerdings beschwerlicher als sonst. Das Hygienekonzept verlangte eine Anmeldung (kein Problem). Das Haus war abgeschlossen und ich wurde extra empfangen und zunächst in den Keller gebracht. Dort wartete ein Bundeswehrsoldat, Marke Kampfschwimmer, auf mich, der den Abstrich für den Test vornehmen sollte. Er streichelte sanft meinen Rachen und gab nach 15 min grünes Licht. Ich wurde dann von Petra Reiz abgeholt und nach dem Interview bis zur Tür begleitet.

Petra Reiz, stellvertretende Pflegedienstleiterin

 

„Das Hygienekonzept umzusetzen kostet Kraft“, sagt Petra Reiz, stellvertretende Pflegedienstleiterin im Pflegeheim Curanum in Barth. Durch Corona habe sich die Infektionsgefahr und der Arbeitsaufwand erhöht. Im Januar mussten sich Mitarbeiter und Bewohner einem Virus-Ausbruch stellen. Eine angespannte Zeit. „Aber“, setzt Petra Reiz an und man sieht förmlich hinter der Maske ein Lächeln, „all das hat auch etwas Positives: Wir haben gezeigt, dass wir als Team gut zusammenhalten und  -arbeiten können.“ Auch die Angehörigen, die ja in dieser Zeit ihre Mütter oder Väter nicht besuchen konnten, zogen mit. Sie zeigten sich sehr dankbar. Hatten hier und da kleine Aufmerksamkeiten für die Mitarbeiter und spendeten sogar.

Natürlich wäre es schön, wenn das Personal mehr Geld bekommen würde. Aber das Wichtigste sei doch die Zusammenhalt untereinander, so Petra Reiz.  Die Bartherin arbeitet schon mal mehr als acht Stunden am Tag. Sie hat keine Kinder. „In solch einer Situation, wissen wir, wofür wir arbeiten. Wir haben uns doch für diesen Beruf entschieden“, beschreibt sie glaubhaft ihre Einstellung. Durch die Dankbarkeit der Bewohner und der Angehörigen sei das Selbstwertgefühl des Personals gewachsen. Dennoch freut sich Petra Reiz, dass es jetzt durch die niedrigen Inzidenzwerte Hoffnung gibt.

Frank Burger, Journalist & Fotograf

 

Ein Jahr Corona. Fast ein Jahr Home Office. Allein. Nicht zu vergleichen mit den Familien mit Kindern. Ich hatte kurz vor dem 1. Lockdown 2020 noch eine Shootingreise unternommen. Dann fiel der Vorhang. Da ich als Freier Journalist ohnehin schon sehr viel im Home Office arbeite, war die neue Situation keine große Veränderung für mich. Aber alles schien sich wie in einer Gelatine, langsam und dickflüssig zu bewegen. Wie in Zeitlupe. Dann die Öffnung Ende Mai 2020. Ich hoffe, man sieht mir nach, wenn ich von einer „Invasion“ schreibe. Menschen über Menschen. Ich konnte meine Foto-Workshops abhalten. Mensch und Natur. Herrlich. Der Herbst ließ den Himmel wieder zuziehen. Der zweite Lockdown war schwerer. Dunkles Wetter, keine Fluchtmöglichkeit. Hatte mir sonst das Barther Theater im November mit den Proben (Ich bin da Amateur-Mime.) diese Flucht zu Menschen ermöglicht, waren jetzt die Abende leer. Mein runder Geburtstag fiel aus. Weihnachten in Miniformat mit den Lieben am Screen. Keine Theater-Aufführung am Silvesterabend. Es schien eine ewige Geiselhaft. So viel Gequatsche. Ungeduld – überall. Not auch. Schweigendes Staunen. Mitgefühl, wenn man über die eine oder andere Corona-Situation der anderen liest oder hört.

Jetzt steht die Sonne viel länger über den Horizont. Den Vorhang auf, den Vorhang auf, schnell, macht ihn auf! Luft zum Atmen! Jetzt. Meine Frau und ich saßen Pfingsten an einem Biertisch am Barther Hafen und aßen von einem Food-Truck. Die Sonne schien. Mit uns am Tisch freuten sich zwei fremde Menschen. Das war schön.

Mein Corona-Schnappschuss des Jahres: Samira Regnaut (9) sitzt im Fenster eines Wohnhauses in der Barther Langen Straße beim Home-Schooling.

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