Cathrin Kilian: Ich bin ein verzogenes Schilfgraben-Kind!

 

Wasserstandsmeldungen aus einer nie untergehenden Stadt

 

 

8815 Barther vorgestellt. Heute Folge 1

 

Cathrin Kilian

 

 

 

Welche fünf Begriffe fallen Dir ein, wenn Du „Barth“ hörst? 

 

 

CK: Granitz*, Theater, Kinderfest, Schilfgraben, Sommerferien 

 

 

Schilfgraben? 

 

 

CK: Ja, das ist mein Geburtsort. So heißt eine Straße in Barth. Dort befand sich einmal ein Krankenhaus. Wenn man sagt, dass man im Schilfgraben geboren ist, weckt das bei Nicht-Barthern immer lustige Assoziationen ... Ich bin ein Schilfgraben-Kind. 

 

 

Du bist also eine Eingeborene ... 

 

 

CK: Ich fühle mich in Barth zu Hause. 

 

 

Du hast aber über 40 Jahre lang nicht in Barth gelebt ... 

 

 

CK:  Das ist richtig. Ich habe mich aber nirgendwo so zu Hause gefühlt, wie in Barth. Ich bin von meinen Eltern „verzogen“ worden. Als ich sieben Monate alt war, sind wir nach Berlin umgesiedelt und die Ferien habe ich immer bei meiner Oma in Barth verbracht.  Später bin ich dann mit meinen Kindern zu ihren Großeltern in den Sommerferien nach Barth gefahren. Da stellte sich immer ein Heimatgefühl ein. 

 

 

2008 bist Du wieder hierher gezogen. Warum nach Barth? 

 

 

CK: Hier ist mein Zuhause. Da wo ich gelebt habe, gab es keinen Grund zu bleiben. Meine Eltern leben hier. Hier habe ich das Meer. Es gab keine anderen Optionen. 

 

 

Wie hast Du damals als Wiederkehrerin Barth erlebt? 

 

 

CK:  Barth ist schöner geworden. Es hat sich viel verändert. Dennoch ist alles natürlich geblieben. Die Stadt hat ihre Ursprünglichkeit bewahrt. 

 

 

Wie hast Du die Menschen empfunden? 

 

 

CK: Zu mir waren sie freundlich und offen. Vor allem: NORMAL! Zuletzt habe ich in Nordrhein-Westphalen gewohnt. Dort bin ich nie richtig angekommen. Hier nehmen mich die Menschen so wie ich bin. Allerdings war es bei manchen erst so, als ich gesagt habe, dass ich ein Schilfgraben-Kind bin. 

 

 

Verhalten sich denn die Barther zu Auswärtigen anders? 

 

 

CK: Ich hin ja ein in Barth geborener Neuankömmling. Es kommt sehr darauf an, mit welcher Haltung  und Einstellung hier Auswärtige ankommen. Wenn sie Barth so nehmen, wie die Stadt ist – kein Problem. Man sollte aber nicht meckern und dann nichts zur Verbesserung des Missstandes tun. 

 

 

Was hast Du denn für Barth bisher gemacht? 

 

 

CK: Ich setze mich für die Initiative „Keine Bahn ist keine Lösung ein“. Ich habe einen Liedtext geschrieben und ihn mit Gitarre am Bahnhof vorgetragen. 

 

 

Du hast Dich an Martha Müller-Grählert vergriffen ... 

 

 

CK: Ich habe nur einen neuen Text auf die Komposition von Simon Krannig geschrieben. Und damit die Idee eines Heimatgefühls von Martha Müller-Grählert aufgegriffen. Also eher „aufgegriffen“, statt „vergriffen“. 

 

 

Und sonst noch? 

 

 

CK: Ich spreche mit vielen Menschen, die bei mir Rat suchen. Ich kann ihnen zuhören und mich in sie hineinversetzen. Aber das ist eine Eigenschaft, die nichts mit dem Wohnort zu tun hat. Das mache ich überall.  Ach ja, ich spiele noch als Amateur-Darsteller am Barther Theater. 

 

 

 Was gibt DIR denn Barth? 

 

 

CK: Das Lebensgefühl von Langsamkeit und Ruhe. Es lebt sich hier gelassener, stressfreier. Frische Luft. Das Gefühl von Heimat. Die Menschen hier rufen es hervor. Barth – das sind ja die Menschen. 

 

 

Welches sind Deine Lieblingsplätze hier in Barth? 

 

 

CK: Hier auf meinem Boot bin ich oft. Auf dem Fuchsberg gehe ich gern spazieren. Ich fühle mich im Theater wohl und natürlich auf der Granitz. Jeder Platz, der mir einen Blick auf das Wasser gewährt ist mein Lieblingsplatz. 

 

 

Was glaubst Du, wie Deine Beziehung zu Barth in zehn Jahren sein wird? 

 

 

Barth wird immer meine Heimat sein. Das heißt aber nicht, dass ich hier für immer leben werde. Jetzt, wo meine Kinder erwachsen sind, zieht es mich in die Ferne. Ich möchte mit meinem Boot reisen. Ich werde auch immer mal wieder in Barth sein. Vielleicht auch den einen oder anderen Sommer im Theater mitspielen. Heute hier und morgen dort. Aber es wird mich immer wieder zurückziehen. Ganz nach Martha Müller-Grählert: 

 

 

„Sähnsucht nah dat lütte, stille Inselland,
wo de Wellen trecken an den witten Strand
wo de Möwen schriegen gell in’t Stormgebrus;
denn dor is min Heimat, dor bün ickt tau Hus!“
 

 

 

 

Cathrin Kilian schaut mich an. Ich bin mir der Schwere des romantischen Momentes bewusst. Bevor uns Barth, der Bodden, die Ostsee, die kreischenden Möwen, Martha Müller-Grählert und das Plätschern des Boddenwassers vollkommen Pipi in die Augen treiben, bedanke ich mich für das Gespräch, krabble vom Boot und atme tief durch. Hier bin ick og to hus. Jetzt wische ich mir doch eine Träne aus dem Gesicht.

 

* Die "Granitz" ist das Party-Schiff im Barther Hafen. 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Sam (Montag, 26 August 2019 20:42)

    Bei solchen Texten fällt mir immer Gundermann ein...
    'Hier gab es billigen fusel auf marken
    Und genauso sehn wir heute auch aus
    Hier lässt man fremde nicht gerne parken
    Es sei den sie geben einen aus
    Hier drehe ich meine kreise
    Wie ein fest verankertes schiff
    Hier führt mich meine reise
    Nicht weit aber tief'