Ich singe Euch das Lied vom Einwanderer (m/w/d)

 

Wasserstandsmeldungen aus einer nie untergehenden Stadt

 

 

 

Haben Sie schon gebarthet? Ich habe schon gebarthet! Seit 2014 wohne ich in Barth. Ich komme aus Stralsund. Und Sie? Alle 11 Wochen verliebt sich ein sehnsüchtiger Mensch in Barth. Oder, er hofft, dass er sich verliebt.

  

Sie kennen doch diese kleine Puppe aus der Werbung. Ist schon eine Weile her.  Die schlich so über den Tisch. Dazu machte der Ton: Wop! Wop Wop! Es war zum Herztrautigseinzerreißen. Genauso geht es den meisten armen Menschen, die noch nicht gebarthet haben, auch. Das ganze Leben springen sie von Ast zu Ast, immer hinein die süßen Trauben in den Mund. Suchen das Eldorado in der Mongolei, in Patagonien oder Colorado. Schuften um die Wette mit den neuesten Hipstern um das Bruttosozialprodukt,  schmeißen Molotov-Cocktails in den Straßenschlachten von Hamburg und Berlin, segeln nach New York, besteigen den Fichtelberg, hassen Uli Hoeneß, zittern mit Hansa Rostock oder wechseln die Fan-Kurve zu St. Pauli. Sie leiden an Burnout und anschließend an Boreout, sie kaufen sich einen viel zu teuren Anzug, um Abteilungsleiter der Stadtsparkasse Grevenbroich zu werden oder kriechen dem Chef in den ...  , nur um den nächsten Betriebsausflug in den Vogelpark Marlow organisieren zu dürfen.

 

Ich kenne Menschen, die den grünlich-rot-lila Himmel als Naturereignis feiern und dabei ist es nur Umweltverschmutzung. Es gibt Leute, die wissen nicht, was ein klarer Sternenhimmel ist und finden Sonnenuntergänge hinter Hochhäusern toll.  Ich kenne Frauen, die ihr Leben lang auf den weißen Ritter in goldener Rüstung gewartet haben und mehrfach mit voller Wucht bäuchlings in die Matsch-Pfütze geplatscht sind. Wer zählt die Männer, die am Ballermann in glühender Hitze einfach umgefallen sind (Frauen in Vorpommern mit einem Glas Rotwein in der Hand auch)? Ich kenne Großstadtjunkies, die noch nie saubere Luft geatmet haben und Selfoptimierer, die nur die trockene Luft der Fitnessstudios kennen und Workaholics mit Lackschuhen und Champagner. So viele Leute, die einfach gegen die Wand gelaufen sind (Einhornland).

  

Hier bin ich nun. In Barth. Ich habe gebarthet (Warum zieht man von Stralsund nach Barth?). Ruhe und Entspannung sind die Grundpfeiler der romantischen Stadt...“  Ich liebe dieses Zitat! Wenn es mir mal ganz doll schlecht geht (Tagedrücken), dann packe ich mir meinen Getthoblaster in den Rucksack und spaziere durch die nächtliche Barther Innenstadt. Aus dem Rucksack ertönt: Edith Piaf! Machen Sie das auch mal! Sie bekommen eine ganz andere Beziehung zu dieser romantischen Stadt.

  

Gebarthet haben schon viele viele vor mir und nach mir. Ich singe Euch das Lied vom Einwanderer (m/w/d):

 

Gleich gegenüber auf der anderen Straßenseite wohnt Miki Zlatic, der im amerikanischen St. Louis als Polizist gearbeitet hat und wohl da auch nicht herkommmt. Wer zu mir möchte, kommt an der LeckBar der gebürtigen Türkin Bilgen Schwuchow, die DDR-Softeis verkauft,  nicht vorbei. Die Lebenskünstlerin Ingrid Schmahl kommt wie die internationale Visagisten-Meisterin Birgit Gürtler aus dem tiefen Westen der Republik. Ein Lachermund ist aus Berlin nach Barth gezogen! Zita Agota Pataki wurde in Budapest geboren, ist in Weimar groß geworden, sächselt leicht und lädt zu Stadtführungen in Barth ein. Friedrich, Der Große Bürgermeister, ist aus Hamburg. Die „Schwedin“ Sylvia Anderson hat bereits im 42und... Kabarett gespielt, eine Potsdamerin Klavier, die „Erdbeerfrau“ Bärbel Schoening hat Geschichten gelesen. Die leckersten Kuchen in Barth backt Mandy Opitz aus Cottbus, die schönsten Geschichten für das Barther Theater hat Martin Schneider (also nicht der mit dem Pferdegebiss und dem Aschebescher, sondern der mit dem Hipsterbart und dem Egon-Olsen-Syndrom) aus Altdöbern (wo zum Teufel liegt Altdöbern?) geschrieben. Sie alle haben bereits gebarthet! Jeder kam aus unterschiedlichen Gründen hierher nach Barth. Aber Ostsee, frische Luft und normale Menschen waren in den Beweggründungen immer dabei (Wo kam nochmal die Frau her, die Barther Bürgermeisterin werden wollte?). Und ja, ich habe soooo viele vergessen, die jetzt aufstehen und: Ich habe auch gebarthet! Ich komme aus... Und ich komme aus ... Und ich komme aus ... Sie alle könnten auf der Barther  Boddenbühne das Lied der Einwanderer singen! Es wäre ein großer Chor!

 

Ich sehe schon die im Publikum sitzen gebliebenen Schilfgraben-Barther mit feuchten Augen sitzen: Ja, das ist unser Barth!

 

 „Ein Bierchen und einen Mexikaner?“ Früher oder später  landen sie alle auf der „Granitz“ bei Sven und Melanie. Vorbei mit den Straßenschluchten, Smogs, Karriereknicks, Trennungsschmerz, Allergien und Unverträglichkeiten („Einmal Currywurst mit Pommes rot-weiß, Sveni!“).

  

Heimathafen gefunden. Gebarthet eben. „Ihr hättet schon viel früher kommen können“, lächelt Sven mit dem Barbier-Bart (Wo kommt der Barbier her?) „Vielleicht doch einen Tee?“, fragt Melanie schnell noch, bevor Markus und Claudia „Sweet home Alabama“ in deutscher Fassung singen und alle romantisch mitswingen. Die Einwanderer- und die Schilfgraben-Barther untergehakt.

 

 Alle 11 Wochen verliebt sich ein sehnsüchtiger Mensch in Barth. Oder schneller ... (9 1/2 Wochen)

 

 

PS: Wo sind eigentlich die „Ur-Barther“ Helga Wienhöfer und Hans-Joachim Meusel geboren?

 

  

PSS: Was ist der Unterschied zwischen Lüneburg und Barth? In Lüneburg kommen Menschen zwischen 40 und 55 Jahren an, um sich ein neues Leben aufzubauen. Und obwohl die Stadt wunderschön ist (Dauerwerbesendung jeden Werktag 14 Uhr auf dem Ersten), die Neuankömmlinge die besten Freunde finden und ständig zum gemeinsamen Essen ins Rosenhaus geladen werden und alle wie Bolle zusammenhalten, verlassen sie die Traumlocation bereits nach knapp einem Jahr wieder. Irgendwas kann mit dieser Stadt nicht stimmen ...

 

  

Ziehen Sie lieber nach Barth! 

 

  

 

Und hier die Videos zum Blog:

  

https://www.youtube.com/watch?v=yphwzD1XaBY

  

oder

  

https://www.facebook.com/397682770983131/videos/486269228844619/

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Hans-Joachim Meusel (Montag, 04 November 2019 19:46)

    Mit 26 Jahren verließ ich meine Heimatstadt, die Lutherstadt Wittenberg. Und zog nach Barth. Da wohne, lebe, arbeite, genieße ich nun schon runde 43 Jahre. Da freue ich mich immer noch und immer wieder über die kleine Stadt, da wundere ich mich über manche Barther, die ihre Stadt so gern schlecht reden, da ärgere ich mich bei diesem oder jenem oft über zu wenig Lust auf die weite Welt und die spannende Zukunft. Aber hier bin ich zu Hause. Mit vielen netten Leuten, mit manchem Dösbaddel... Barth ist für mich beileibe nicht der Nabel der Welt. Doch es ist schon schön. Es ist Heimat geworden.

  • #2

    Dagmar u. Heinz (Montag, 24 Februar 2020 14:12)

    Wir freuen uns in diesem Barther Bürger zu werden,wir hoffen es wird uns zur 2. Heimat.