„Ich bin geboren, um Dich zu lieben!“

 

Wasserstandsmeldungen aus einer niemals untergehenden Stadt

 

 

„Zur Kreuzigung?“

 

„Ja.“

 

„Gut. Durch die Tür hinaus. Zur linken Reihe. Jeder nur ein Kreuz.“

 

Ich gehe weiter. Komme zur Tür. Bleibe stehen. Nein, ich will sie nicht öffnen. Ich will nicht zur Kreuzigung.

 

„Mach die Tür auf und geh! Es wird schon nicht so schlimm.“

 

Meine Frau lächelt. Ich nehme all meinen Mut zusammen und steige aus dem Auto aus. Vor mir die Vineta Arena Barth. Darin wird in wenigen Minuten die New Schlager Party beginnen. Fotos machen und Eindrücke für den Blog sammeln. Für mich wie eine Kreuzigung.

 

 

Mit diesem Blog beginne ich eine neue Kategorie: „Vom Tellerrand gefallen“ .

 

Ich begebe ich mich in Situationen, in die ich mich freiwillig, also privat, nie begeben würde. Ich möchte aber meinen Horizont erweitern und auch mal über den Tellerrand schauen.

 

 

Hoffentlich erkennt mich niemand. Oder nicht so viele. Und wenn, dann möglichst spät.

„Hallo Frank!“ Am Eingang ist schon alles vorbei. „Hallo.“

Dann laufe ich noch Heyko Mews und Mario Lemke in die Arme. „Es geht erst 22.30 Uhr richtig los.“ Heyko Mews lächelt mitleidend. Jetzt ist es 18.53 Uhr. Oh Gott.

 

Ich setze mich hinten auf die Tribüne. Gedämpfte Musik und gedämpftes Licht. Langsam füllt sich die Sporthalle. Was mache ich hier eigentlich?

Obwohl. Als männlicher Teenager habe ich ABBA gehört – unter der Bettdecke. Und Frank Schöbel. Und bei Lippi kam Erna. Also. Und eben gerade habe ich mich zuhause erwärmt: „Cordula Grüüüüüüüüüüün!“ Was kann mir schon passieren! Ich schaue auf meinen rechten Fuß. Alles okay.

 

Dann beginnt der Alex von der Ostseewelle mit seinem DJ-Programm.

„Regenbogenfarben“ von Kerstin Ott. Ist das nicht die, die nicht tanzen kann und die, die immer lacht? Naja, nicht immer...

 

Da! Die Tanzfläche füllt sich! Wow! „Ich bin geboren, um Dich zu lieben!“ – „Wenn ich sterbe, dann sterbe ich nur für Dich!“ Frauen tanzen mit Frauen. Junge Mädchen schwofen mit Hüftschwung in die Halle. Männer schwenken Frauen im Disco-Fox hin und her. Mein Vater hat früher immer leicht seitlich die Zunge dabei rausgestreckt. (kicher). Da! Mein rechter Fuß wippt! Oh Gott! Werde ich jetzt zum Schlager-Werwolf? Wird mich dann meine Frau noch zuhause aufnehmen?

 

20.00 Uhr. Vincent Gross springt auf die Bühne. Kreischalarm. Der Junge haut sich echt rein. Springt ins Publikum, veranstaltet eine Polonaise und bejodelt den Norden! Respekt!

 

Der gut gelaunte Alex-Bär von der Ostseewelle übernimmt nach einer Dreiviertelstunde.  Und endlich, um 21.08 Uhr: „Cordula Grüüüüüüüün!“

Da, ist sie das nicht dort!? Nein dort! Oder die da! Es scheint, als ob heute Abend ein Kerstin-Ott-Lookalike-Contest angesagt ist.

 

Hinter mit sitzt ein Vater mit seiner halbwüchsigen Tochter. Seit zwei Stunden keine Regung. Vor mir eine älteres Ehepaar. Sie umarmen sich immer wieder. Was für ein schöner Anblick. Die Barther Party-Gemeinde feiert „Hölle, Hölle, Hölle!“

Wolfgang Ziegler steht im Regen und Helene Fischer ist atemlos! So langsam kocht die Stimmung hoch und ich, ich verzeihe meinem rechten Fuß und schreibe mir schon das Ende für diesen Blog in meinen Block. Das wird schön ...

  

21.30 Uhr. Die Schlagerleute sind pünktlich! Sonia Liebing umarmt das Publikum und ihren eigenen Fanclub! Die superschlanke Blondine nimmt ihr Programm persönlich, erzählt viel von sich und interpretiert die passenden Schlager dazu. Jugendliebe von Ute Freudenberg! Touché! Ich muss meinem rechten Fuß zustimmen: So schlimm ist die Kreuzigung doch gar nicht. Danke für diesen Termin!

  

22.22 Uhr. Sonia Liebling verabschiedet sich vom Publikum. Das war schön.

 Nur noch schnell ein paar Titel, dann kommt Mickie Krause, verspricht Schlager-Alex und legt Marianne Rosenbergs „Er gehört zu mir ...“ auf.

 

Dann der „Kaiser von Mallorca“ oder so...

Wo ist er denn? Er singt doch schon. Ich sehe ihn nicht. Die Leute flippen aus. Stehen dicht gedrängt vor der Bühne. Da! Ist das Helge Schneider? Oder sein jüngerer Bruder? Ich mache ein paar Fotos für die Beweisaufnahme.

Ab da kann ich mich nicht mehr erinnern. Filmriss. Obwohl ich stocknüchtern war. Ich weiß auch nicht ...

 

Später werden mir zwei Versionen erzählt.

 

Variante 1. Ich bin auf Toilette gegangen. Im Nebenklo jaulte und heulte es. Das sei „Mietuu“ sagte man mir. Die stalkt  Mickie Krause und wird bei seinen Auftritten immer in die Toilette gesperrt. Aber ein bisschen Spaß wolle man schon haben (Augenzwinkern). Ach so ...

 

Variante 2. Ich bin an die Bar gelaufen, habe mir zwei Eimer Sangria hintergekippt und vorne in der ersten Reihe gegrölt:

„Geh mal Bier holen
Du wirst schon wieder hässlich.
Ein zwei Bier
und Du bist wieder schön.“

 

Tja.  Jedenfalls. Mein Erinnerungsvermögen setzt ein, als Mickie Autogrammkarten von der Bühne aus verteilt.  „Ich bin nicht der Wendler“, ruft er noch. Warum auch immer. Helge Schneider jedenfalls auch nicht.

 

23.04 Uhr. Ich rufe das „MeineFrau-Taxi“ und verlasse die Halle.

 

Da stand ich nun wie nach der Kreuzigung. Bis mich jemand umarmte. Kerstin Ott (oder so) lächelte mich an: „Dreh Dich um, musst nur über den Tellerrand sehen. Alles bunt. Musst nur ein Stückchen weiter gehen.“

 

Ja! Da sah ich plötzlich einen Lichtschein. Erst Lila, dann Blau. Grün. Gelb und Rot. Regenbogenfarben färbte sich der Himmel, die Bäume, Straßen und Wege. Dann immer mehr Rosa! So habe ich Barth noch nie gesehen! RegenbogenfarbenRosa. Für eine Nacht. Schei... auf das Morgengrauen!

 

Und ich fühle mich wie: vom Tellerrand gefallen!

 

 

 

 

 

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