Ground Control to Major Tom

Lieber Frank,

 

wenn man einen Liebesbrief bekommt, ist es immer etwas ganz Besonderes, wie oft vergehen die Gefühle irgendwann wieder und der Brief wird vergessen, den Liebesbrief, den du mir geschrieben hast, werde ich allerdings nie vergessen.

 

Ich möchte dir heute auch einen Brief schreiben, um dir und der Welt zu sagen, was für ein besonderer Mensch du bist, was für ein besonderer Mensch du warst und was ich an dir liebe.

 

Du warst schneller als ich, ich konnte deinen Brief lesen, du den von mir nicht mehr, aber ich hoffe, dass diese Worte in den Weiten des Universums trotzdem zu Dir dringen.

 

Heute sitze auch ich in der Küche und mein Kaffee neben mir wird kalt. Dein Lachen fehlt mir, alter Freund. Und während Du schon ein Level aufgestiegen bist, schaue ich aus dem Fenster und kann nicht glauben, dass Du nicht mehr unter uns weilst. 

 

Seit gestern laufen in meinem Kopf die Burger-Festspiele in der Dauerschleife - Bilder und Szenen wie du auf der Bühne stehst, dich verausgabst - bis zur letzten Kraftreserve und darüber hinaus, um die Szene perfekt zu machen, um den Szenenapplaus dem Publikum fast schon abzupressen, welchen du dir verdient erspielt hast

Ein Perfektionist, das warst du, egal ob auf der Bühne oder hinter Deinem geliebten Fotoapparat. Du sagtest einmal zu mir: “Ein gutes Foto muss wehtun. Das muss man sich erarbeiten.“ Du hast dir alles erarbeitet, dafür gekämpft, bis es gut war- immer bis es ganz perfekt war. 

 

Es war nicht zu überhören, wenn du zur Probe in den Theatersaal gekommen bist und riefst: „Es tut mir leid für euch, ihr seid heute die ersten Menschen mit denen ich spreche; Martin! Ich habe eine Idee ...“

Und wenn du mich mal nicht gleich überzeugen konntest, brauchte ich sehr viel Geduld und sehr gute Argumente. Aber keine Sorge, alter Freund, es machte stets sehr viel Freude mit dir zu argumentieren, denn es ging immer um die Sache und du hattest so viele gute Ideen, für die ich dir so dankbar bin. Weißt du noch das Ende von “Hinter Schloss und Riegel” das Lied aus dem Musical “Chicago”?

“When you are good to papa, papa is good to you” - zwinker

Oder wie sprachst du als Barther Bürgermeister Goldmann: „Niemand scheint so Hell-wie-ich“ - zwinker, zwinker.

   

Du wolltest als Kind unbedingt Schauspieler werden, hast dich aber nicht getraut, dass du dich mal etwas nicht getraut hast. Du wurdest Lehrer, dann Journalist, warst immer Fotograf und dann, mit über 50 Jahren bist Du dann doch noch der Primadon im Barther Staatstheater geworden!

 

Ja, ich wollte dich! Und ich habe dich bekommen. So wie die Bühne dich brauchte, brauchtest auch du die Bühne- was für eine Symbiose.

 

So spieltest du deine Rollen von Alfred Müller als Richter im berühmten Sketch mit Helga Hahnemann, jedes Mal ging dein Hammer perfekt entzwei. Du warst Ewald Brummer bei „Tratsch im Treppenhaus“, du warst doofer Bauer, Barther Bürgermeister und Barther Gefängnisdirektor und vor allem warst so verdammt gut darin, den schmierigsten Typen und den trottligsten Alten oder den größten Charmeur zu spielen, Hauptsache spielen.

 

Als ich gehen musste, hast du gesagt: “Martin, du darfst nicht gehen, du bist der Einzige, der meinen Humor versteht, es lebe der „UmdiefünfEckenWitz“. 

 

Jetzt bist du gegangen, das war so nicht abgesprochen!

 

Du warst einer der wenigen Menschen, die empathisch in Gesichtern lesen, mit denen man über ein Augenzwinkern kommunizieren konnte, du hattest immer ein offenes Ohr und passende Worte für die Menschen um dich herum gefunden, du warst der Kater des Ensembles, der laut sein konnte und ganz leise, neben dem man die Seele baumeln ließ und der einen beruhigt hat, sei es auch fünf Minuten vor der Premiere.

Du warst immer voller Energie, und auch als du 2019 schon weniger Kraft hattest, in den Proben gesagt hast, Martin, ich muss heute etwas langsamer machen, hat es bei der Vorstellung niemand bemerkt. Hauptsache der Lappen geht am Abend hoch, Licht auf Frank und wir lassen es krachen. 

Du warst Motivator, du hast Gas gegeben, hast die Menschen mitgezogen und zugleich warst du so voller Ehrfurcht vor deinen Mitspielern und warst gar dankbar neben der wunderbaren WH auf einer Bühne spielen zu dürfen. Frank, das ist Größe!

 

Natürlich hattest du auch die Antwort auf alle Fragen: 42. In deinem Kulturclub im „42und“, denn Frank ist nicht Frank, wenn er im Namen seines Ateliers nicht ein Zitat aus dem Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“ unterbringen würde. 

Und da es bei dir mehr gibt als die Antwort auf alle Fragen, hieß es natürlich „42und“.

Das war dein Augenzwinkern, dein intelligenter Humor. Ich wohne in der Hausnummer 42, da ist auch mein Kulturclub, klar, sagt jeder, darum nennt er es „42und“. Aber wenn dann doch jemand zu dir kommt und fragte: „Per Anhalter durch die Galaxis“? Dann hast du dich gefreut wie ein kleiner Junge, der Junge, der dich nie ganz verlassen hat. 

Du hast Menschen nie etwas auf die Nase gebunden, du hast Hinweise versteckt, Rätsel gestellt und beobachtet. 

Frank, du warst ein wunderbarer Beobachter und darum hast du die Bühne geliebt, denn da zeigen wir, was wir in dieser merkwürdigen Welt erleben.

 

So hast du einmal nach dem Einkaufen fünfundvierzig Minuten im Eingangsbereich des Famila Markts gestanden, da dir auffiel, wie viel Menschen in Jogginghose einkaufen gingen und du hast dir gesagt, ich bleibe jetzt so lange hier stehen, bis ich 5 Minuten am Stück keine Jogginghose sehe, es dauerte fünfundvierzig Minuten.

Denn ganz nach Karl Lagerfeld: „Wer (öffentlich) Jogginghosen trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren. Frank, ich trage gerade eine Jogginghose, bin aber in der Küche und schreibe nicht aus dem Famila Markt, sieh es mir bitte nach. 

   

In deinem Liebesbrief an mich hast du geschrieben: 

 

Und am Ende des Tages bist Du einen Tag älter.

So war's immer, so bleibt's, das ist unser Geschick.

Und am Ende des Tages bist du einen Tag kälter.

 

Verdammt, das passt gerade zu gut, und das tut weh, gestern bist du von uns gegangen, ich habe es am Abend erfahren, heute bist du schon ein Tag kälter, makaber, aber so sind wir nun mal mein Bruder im Geiste.

 

Ich glaube, das Besondere an unserer Freundschaft ist, dass wir uns gegenseitig bewundert haben und jeder das Vorbild des andere war und ist.
Und ich weiß nicht, ob ich hier schreiben soll, du bist oder du warst. Hier biste nicht mehr, aber vielleicht wo anders und in meinem Herzen, in meinen Erinnerungen wirste immer bleiben – also biste!  

 

Frank, ich glaube, ich ende langsam, denn die Tastatur meines Laptops wird zunehmend nasser, ich danke dir, dass wir dich kennenlernen durften, und das du bist, wie du bist und warst, wie du warst und für mich immer sein wirst.

 

Wir sehen uns wieder auf einer anderen Bühne versprochen, ich umarme dich, mein Freund.


Wie hast du mir geschrieben: 


„Ja, wenn jemand geht, dann geht man niemals so ganz.“

 

 Das kann ich nur zurückgeben, Barth wird dich vermissen, wo du warst ist jetzt eine große, kalte Lücke. 

Ich vermisse deine Freude, deine Ernsthaftigkeit, deine Analyse, deinen Scharfsinn, deine Tiefe, deine Worte, dein Ohr, deine Schulter, dein Respekt vor dem Schaffen anderer, dein Humor, dein Lachen, einen sehr guten Freund.

Danke dass du da warst.

Ich spuck dir über die Schulter, Toi Toi Toi für den nächsten Abschnitt, wir sehen uns hinter der fünften Ecke, hinter dem großen Vorhang.

 

Ground Control to Major Tom

Your circuit's dead, there's something wrong

Can you hear me, Major Tom?

Can you hear me, Major Tom?

Can you hear me, Major Tom?

Can you he—

Here am I floating 'round my tin can

Far above the Moon

Planet Earth is blue

And there's nothing I can do

(David Bowie, Space Oddity)

 

 

Martin Schneider

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Kommentare: 4
  • #1

    Katy Linke (Dienstag, 05 April 2022 15:48)

    Das sind die perfekten Worte, welche Frank auch immer gefunden hat.�

  • #2

    Lohrmann Heike (Dienstag, 05 April 2022 18:22)

    Danke - perfekter geht es nicht. Frank wird in den Herzen der Barther bleiben. Jeder Theaterbesuch wird uns an ihn erinnern. Seine vielen Fotos, schauen wir uns nun mit anderen Augen und Gedanken an - aber immer mit einem Lächeln im Gesicht. So wie Frank. Danke, dass wir dich kennenlernen und danke für die Zeit, die wir mit dir Frank, verbringen durften.

  • #3

    Kerstin Klein (Dienstag, 05 April 2022 20:03)

    Das hast du sehr schön geschrieben, lieber Martin. So war er, der Frank und so werden wir uns an ihn erinnern. Jeder Fjord, egal wo auf der Welt, jede Fahrradtour, jede Fotosession mit meiner Kleinen wird mich/uns an ihn erinnern. Danke für deinen Beschützerinstinkt, deinen Humor, deine Liebe zu Barth und seinen Menschen....wir vermissen dich jetzt schon! Aber es ist toll, dich gekannt zu haben.

  • #4

    Lars Engelbrecht (Donnerstag, 07 April 2022 07:53)

    Es waren zu wenig gemeinsame Projekte! Danke, Martin für die schönen Worte, danke Frank, für alles was du angeschoben hast.